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Annoula

Die Flucht aus Alcatraz

Ein Bericht von Sabrina Klüßendorf | Assistentin

 Lange Berichte sind nicht so mein Ding. Ich packe lieber mit an und sehe mich eher an der Front als hinterm Computer.
Aber wenn man schon zulangt und aus den Zwingern eines völlig überfüllten Tierheimes auf Rhodos etwas herauszieht, und das auch noch krumme Beine hat, ja dann bleibt einem ja fast nichts anderes übrig - will man die Kosten zusammensammeln.
 
Unser 15. Kastrationseinsatz auf Rhodos ist rum. Flying Cats e.V. hat alles brilliant organisiert. Die Termine, wer wann ein Straßentier bringen durfte, waren schon Wochen im Voraus ausgebucht. Antonia und ich übernahmen den medizinischen Part. Und wer schon einmal mit Antonia gearbeitet hat, weiß, dass sie keine Gnade kennt. Nun gut, die kenne ich auch nicht und gemeinsam mit einem wahnsinnig tollen Team um uns herum, kastrierten wir in 18 Arbeitstagen 922 Tiere. Das sind durchschnittlich mehr als 50 Operationen am Tag. Fragen Sie mal in Ihrem medizinischen Umfeld (sofern Sie eins haben) rum und erkundigen sich, wie viele Operationen dort am Tag für möglich gehalten werden? Und das auch noch in einer Umgebung, wie dieser, mit einem Lärmpegel der kaum zu überbieten ist bei 400 bellenden Hunden und Mäuse und Ratten, die einem überall begegnen.

Es ist mal wieder - wen wundert es? - ein Tierheim. Das Tierheim von Rhodos.......
Das Positive: man gibt sich hier Mühe und tut was man kann. Das war es aber auch schon. Viel zu viele Tiere und eine kaum vorhandene medizinische Betreuung. Es fehlen die Mittel um alle Hunde die es nötig haben, so medizinisch zu versorgen wie es nötig wäre.
Da dies aber der einzige Platz ist, an dem wir offiziell und legal arbeiten dürfen, bleibt uns nichts anderes übrig, als den winzigen Op zu nutzen und tagaus, tagein an den eingesperrten Schicksalen vorbei zu laufen, ohne ihnen etwas anbieten zu können. Gar nichts. Unser Einfluss auf Leitung, Belegschaft oder die Bürokaten ist gleich null und wenn, dann sowieso nur für 18 Tage. Anschließend sind wir wieder weg und man macht eh, was man will.
In jeder Ecke, in jedem Raum und in jedem aufgestellten Käfig befinden sich Hunde. Mehr als Reinigen und Füttern kennen diese Tiere nicht. Wen wunderts bei einer Personaldecke von 4 Leuten die über 400Hunde versorgen müssen. Krank sollten sie nicht werden.
Und obwohl wir auf Rhodos bereits mehr als 10.000 Tiere unfruchtbar gemacht haben, finden die Fänger immer und immer wieder neue. Katzen und Hunde, aber im Schnitt wesentlich mehr Katzen. Wir hatten teilweise das Gefühl, die holen sie von anderen Inseln. Aber oft besteht eine Kolonie aus 50 Tieren, was für uns 12-15 Stunden Arbeit bedeutet. Und in welch kleinem Umfeld lebt eine Katzenkolonie? Hochgerechnet auf eine ganze Insel ist es klar, dass wir noch lange nicht fertig sind. Die guten Nachrichten bleiben aber auch nicht aus und immer wieder erzählen uns Tierfreunde, dass sich die Situation vor ihrer Haustür deutlich entspannt hat. Wäre ja auch noch schöner!
 
Wir arbeiten also jeden Tag so vor uns hin und nur die Gedanken können dieser Umgebung entfliehen. Die sind nicht eingesperrt und immer dominanter wird mein Wunsch, dass ich Annoula einfach mitnehme. Ich male mir ein regelrechtes Entführungsszenario aus, schiebe dabei aber in der Realität einen Katheter nach dem anderen. „Wo bist du?“ holt mich Antonia aus meinen dunklen Gedanken heraus. „Annoula...“, antworte ich leise und Antonia nickt. Sie kennt die kleine Hündin, die uns bereits am zweiten Tag vorgestellt wurde. Sie sprang nicht am Gitter hoch, wie ihre Kammeraden, sie war eher zurückhaltend. Grund dafür sind ihre Vorderbeine, die, warum auch immer, deformiert sind. Sie saß in einer Ecke und konnte nur zuschauen, wie die anderen Welpen um sie herumtobten. Welche Chance hat sie, jemals schmerzfrei laufen zu können? Ohne OP keine! Wer sollte die hier machen? Es gibt keine Knochenspezialisten. Und Geld für eine teuere Operationen ist nach 18 Kastrationstagen auch nicht mehr übrig.
Aber ihr Blick… Jeden Tag. 18 Nadelstiche. Direkt ins Herz. 18 x nein. 18 x geistig die Flucht durchgehen, 18 x auf dem Weg nach Deutschland einen Banküberfall planen. 18 x ich kann nicht.
Am letzten Tag habe ich zugegriffen. Ich konnte nicht mehr. Nicht mehr an ihr vorbeigehen und sagen: „hast Pech gehabt“. Nicht mehr in ihre Augen schauen. Nicht mehr nur träumen.
 
Antonia ist hierbei übrigens die weltbeste Komplizin :-)
Aus dem Banküberfall wurde nichts, dafür verzichtete Antonia an ihrem Geburtstag auf Geschenke und Kuchen. Eine Flucht wurde es auch nicht, denn die Tierheimleitung war sogar froh, dass wir Annoula mitnahmen. Und mein Herz hörte am 19 Tag endlich auf zu weinen.
Annoula ist nun bei mir und wir beide haben keine Ahnung, was in den nächsten Wochen auf uns zukommt. In der Flensburger Klinik bei Dr. Ulrich Wölk habe ich sie bereits vorgestellt und in zwei Tagen ist ihr OP Termin. Doktor Wölk ist zuversichtlich, aus meinem Traum Wirklichkeit werden zu lassen.
Wir wissen auch noch nicht, was mein „Zugriff“ kosten wird, aber ein Teil der OP-Kosten sind bereits zusammen. Ich bin froh, dass wir es auch ohne Banküberfall geschafft haben, denn so ist die Chance recht groß, dass wir im nächsten Jahr wieder auf Rhodos sein werden. Ein bisschen ist dort ja noch zu tun...
Aber Annoula wird diese Insel nicht mehr wiedersehen, das habe ich ihr versprochen.
 
Danke für Eure bisherige Unterstützung
Eure Klüsi

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